Das Flussbad Rostock von damals bis heute

Auch wenn unser Flussbad heute ganz modern aussieht – neu ist es nicht. Ganz im Gegenteil kann das beliebte Bad auf eine lange, bewegte Geschichte zurückblicken. Hier könnt Ihr mehr darüber erfahren und in dieses lebendige Stück Rostocker Stadtgeschichte eintauchen. Sucht Euch per Link einfach das Kapitel aus, das Euch interessiert, oder macht es Euch gemütlich und lest die ganze lange Chronik am Stück.



von 1923 bis 1949

Am 13.04.1921 wurde der Bau einer Badeanstalt am Mühlendamm für 220.000 Mark, vorerst ohne Luft- und Sonnenbad, beschlossen. Einige Jahre zuvor war die Badeanstalt beim Faulen Tor durch eine Sturmflut zerstört worden. Der Platz für das erst 1925 gebaute Luft- und Sonnenbad am Mühlendamm war 1921 noch an eine Straßen- und Tiefbaufirma verpachtet und wurde als Lagerplatz genutzt.

 

Am 26.05.1922 wurde die städtische Badeanstalt am Mühlendamm eröffnet. Sie war teilweise überdacht und verfügte über Einzelzellen. Dabei war der Badebereich streng getrennt in separate Areale für Männer und Frauen. Das Frauenbad war 30 m breit, das Männerbad 45 m. Die Wassertiefe von 1,7 bis 3 m wurde durch Sandaufschüttungen erreicht. Dafür wurde aus Warnemünde mit einem umgebauten Fischkutter Sand angefahren. Zu diesem Zeitpunkt existierte auch die Badeanstalt am Kabutzenhof noch.

So sah das Flussbad Rostock um 1930 aus
Blick vom Sprungturm auf die Badeanstalt um 1930 (Quelle: Verlag Redieck & Schade Rostock)

Der erste Schwimmmeister Wilhelm Müller senior (geboren 1881) erhielt 1922 einen Pachtvertrag. Er kümmerte sich mit seiner Familie bis 1947 um das Flussbad. Vor 1922 war Müller Schwimmmeister im Bad am Faulen Tor.


Im Jahr 1923 wurde die Badeanstalt auf Wunsch der Rostocker Schwimmvereine (Schwimm-Club Rostock und Männerturn- und Sportverein von 1860, kurz MTSV) mit einer 100-m-Schwimmbahn ausgebaut. Im gleichen Jahr kam auch ein Sprungturm mit 1-m-, 3-m- und 6-m-Sprungbrettern dazu.


1924 wurde das Bad auf 130m erweitert. Das Frauenbad war jetzt 56 m breit, das Männerbad 74 m. Das Nichtschwimmerbecken war 50 x 12 m groß. Als 1925 das Luft- und Sonnenbad fertig war, wurde der Eingang zur Straßenseite verlegt, wo er heute noch ist. Die gegenüberliegende Insel – ca. 10.000 m² – kam 1927 als Familienbad dazu. Ein Nichtschwimmerbecken mit Betonboden wurde am Inselufer neu errichtet. Es hatte die Maße 60 x 20 m. Zwei Stege verbanden die beiden Teile des Flussbades miteinander, wobei heute nur noch der nördliche Steg erhalten ist. Nur ein Jahr später kamen die dringend benötigten, massiv gebauten WC- und Duschhäuser hinzu. Im Bereich des damaligen Frauenbades existiert das entsprechende Haus auch heute noch an der Mauer im nordöstlichen Teil des Flussbades. Im Winter hielt Bademeister Müller senior ein Eisloch für einige Stammbadegäste frei. Die Uferbefestigung mit Holz wurde 1934 durch eine Betonkaimauer abgelöst. Diese wurde im Jahr 2006 abgerissen.


In den Morgenstunden rückten häufig kompanieweise die Soldaten des 27. Regiments an. Harter Drill und Schwimmenlernen standen für die Soldaten des Berufsheeres auf der Tagesordnung. Für einige besondere Leistungsbereiche mussten damals 3000 m geschwommen werden. Das war die Strecke von Kessin (Brandts Gasthof) bis zur mittleren Brücke der Badeanstalt.


Während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wurden im Flussbad besondere Sportveranstaltungen durchgeführt – so zum Beispiel Springervorführungen und 3000-m-Wettschwimmen.


Im zweiten Weltkrieg wurde das Beton-Nichtschwimmerbecken auf der Insel durch Bomben zerstört. Es kam 1942 zur Sperrung der kompletten Insel. Das einzige Jahr ohne Pachtvertrag seit 1922 war für Müller 1945. Durch die Sprengung der Brücke am Mühlendamm im gleichen Jahr wurde Müllers im Flussbad befindliche Wohnung beschädigt.


Wilhelm Müller senior stürzte am 19.05.1947 im Flussbad von einem Fliederbaum und starb am 24.05.1947 an den Unfallfolgen. Müllers Sohn Wilhelm Müller junior (geboren 1916) übernahm 1947 das Bad. Doch schon Ende 1949 flüchtete Müller junior mit einem Fischkutter nach Schweden. Anschließend wurde das Flussbad durch das Kur- und Erholungswesen Warnemünde weitergeführt.


von 1950 bis 2003

Nach dem Bau der Neptunschwimmhalle in der Kopernikusstraße Mitte der fünfziger Jahre verlor das Flussbad enorm an Bedeutung. Erst 1964 wurde das Flussbad in kleinem Rahmen wieder aufgebaut. Es erhielt drei neue Blöcke Umkleidegebäude mit insgesamt 200 Kabinen. Diese Kabinen wurden im Jahr 2004 abgerissen. Die Insel wurde nicht wieder dem Flussbad zugeordnet. Seit 1968 wird die Insel anderweitig genutzt – heute ist der Freizeit- und Angelverein Rostock Mieter der Insel. Im Jahr 1968 wurde das Schwimmmeisterhäuschen mitten im Flußbad fertiggestellt. Dieses Haus dient heute als Herberge für den Betreiberverein WSW Rostock.

 

Ein kleiner Hoffnungsschimmer kam 1978 für das Flussbad auf. In einem neuen Gestaltungskonzept waren ein Ausbau und eine Erweiterung des Bades geplant. Nicht nur die Insel sollte wieder Teil des Flussbades werden, sondern zusätzlich neue Flächen am Westufer der Warnow, auch in südlicher Richtung, mit einbezogen werden. Es waren Bootsverleih, Gaststätte, Spielplätze, Sportwiese, Rutsche, Sauna, Sprungturm, Inselkiosk, Kleinsportfläche auf der Insel, diverse Brücken und ein neuer Eingang beim heutigen Wehr vorgesehen. Leider konnte dieses Projekt wegen Geldmangels nicht verwirklicht werden.

 

1985 entstand eine neue, 250 m lange Begrenzungsmauer aus Waschbetonsteinen. Diese Mauer bildet bis heute die landseitige Begrenzung des Flussbades. Zwei Jahre später wurde ein neues Nichtschwimmerbecken ausgehoben. Auf 45 m Länge wurde die alte Kaimauer durch eine neue Stahlspundwand ersetzt. Der Beckenrand bestand nun aus einer Holzverkleidung. Um eine Wassertiefe von 80 cm zu erreichen, waren eine Unterwassereinfassung aus Holz und Stahl sowie eine Kiessandschüttung notwenig. Wasserseitig begrenzt wurde das Nichtschwimmerbecken nun durch einen neuen, schmalen Steg, der aber nur von der Aufsicht benutzt werden durfte.

Der auch heute noch existierende 3-m-Sprungturm ist 1990 erneuert worden.

1993 übernahm das Sportamt der Hansestadt Rostock die Bewirtschaftung des Flussbades.

 

Der damals amtierende Chef des Rostocker Sportamtes (Peithmann) ließ das Flussbad im Mai 1993 vorgeblich aus hygienischen Gründen sperren. Sein Plan, auf dem Flussbadgelände nun ein Caravan-Stellplatz einzurichten, scheiterte jedoch. Nach diesem Abenteuer wurde das Flussbad wieder geöffnet.


1997 bekam das Flussbad eine Druckentwässerungsanlage mit Anschluss an das öffentliche Netz für das Abwasser aus dem Sanitärcontainer. Im Frühjahr 2003 beschloss die Bürgerschaft die Schließung des Flussbades und eine Veräußerung durch das Liegenschaftsamt. Die öffentliche Ausschreibung endete im Oktober 2003 mit dem Zuschlag für unseren Verein, der damals noch Lederhexen e.V. hieß. Das von uns vorgelegte Nutzungskonzept sah eine Erhaltung des Flussbades mit ehrenamtlicher Betreibung vor.


von 2003 bis heute

Im Jahr 2003 gewann unser Verein die Ausschreibung zum Verkauf des Flussbades mit einem Erbbaurecht für 50 Jahre. Kurz darauf ergab ein Gutachten zur Standfestigkeit der Kaimauer aus Stahlbeton, Probleme durch Unterspülung der Konstruktion. Daraufhin wurden die Vertragsverhandlung bis September 2004 ausgesetzt, um die Finanzierung eines Ersatzneubaus zu prüfen.

Im Sommer 2004 wurde das Flussbad durch Vandalismus stark beschädigt. Davon betroffen waren: alle 200 Umkleidekabinen, der Bademeisterbungalow, der Kiosk, der WC-Container, die komplette Elektro-Anlage und vieles andere mehr. Im Herbst 2004 musste die Stadt auf eigene Kosten die vollkommen zerstörten Bauwerke (u.a. drei Blöcke Umkleide, Kiosk, Sanitärcontainer) abreißen.

Im Januar 2005 bekamen wir einen Nutzungsvertrag für das Flussbad, bevor im Frühjahr 2005 der Vertrag für das Erbbaurecht endlich unterschrieben werden konnte. Vor der Wiedereröffnung im Sommer 2005 stand für uns ein gewaltiges Pensum an Aufgaben an, darunter die Neuinstallation des Wasser- und Stromanschlusses, die Modernisierung des WC- und Duschhaus von 1929, eine Reparatur der Stege,  der Bau eines Beachvolleyballfeldes und die Entrümpelung der Warnow.

Nach unserer ersten Saison haben wir die nicht mehr standfeste, 76m lange Kaimauer abgerissen. Anschließend wurde das Ufer mit ingenieurbiologischen Maßnahmen befestigt. Zur Böschungsfußsicherung wurden Steinwalzen verwendet, die auf einer alten Holzspundwand (Unterkonstruktion der alten Kaimauer) montiert wurden. Der weitere Aufbau erfolgte mit Röhricht-Walzen und -matten. Anschließend wurden Gräser-Matten und Saatgutgewebe ausgelegt und befestigt.

Noch vor der zweiten Saisoneröffnung im Jahr 2006 haben wir die alten Pflasterflächen vor dem Schwimmbereich entfernt  und durch Rollrasen ersetzt. Der Wasserzugang für die Badegäste erfolgte jetzt nur noch über die Stege. Im gleichen Jahr erhielten wir eine Solaranlage für die Warmwasserversorgung auf dem Dach des WC- und Duschhauses. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt förderte die Renaturierung des Ufers, die Solaranlage, eine Rotbuchenhecke an der Grenze zum Kanu-Club und das Anlegen einer Obstwiese.

In den kommenden Jahren haben wir in kleinen Schritten die Qualität der Badeanstalt immer weiter verbessert: 2007 Fertigstellung Wasser-Sand-Matsch-Spielplatz, 2008  Flachwasserbereich im Nichtschwimmer mit einer Kiesaufschüttung, 2009 Terrasse mit Vordach und Sitzgelegenheiten hinter dem Vereinshaus, 2010 Bau von Umkleidekabinen mit 16 Schränken und Spende OSPA-Stiftung für Wasserrutsche Törtel, 2011 Montage von sechs neuen Sitzgruppen aus Eiche, 2012 Aufbau einer Sechseckschaukel und 2013 Neubau Kiosk.

Das bisher größte Bauvorhaben starteten wir 2014 mit einer 130m langen Pontonsteganlage, die die schon vorhandenen Stege auf Stahlpfählen sinnvoll ergänzte. Sie verbindet den Sprungturmsteg mit dem Mittelsteg, umfasst den Sportbereich und endet zwischen dem Bootsverleih und dem Nichtschwimmerbecken. Die Jahresköste der Kaufmannschaft zu Rostock hatte wesentlichen Anteil bei der Finanzierung des Projektes.

Weiter ging es mit dem Bau einer Grillhütte und der Anschaffung eines aufblasbaren Eisbergs mit Kletterwand und Rutschen (OSPA-Stiftung) im Jahr 2015. 2016 erweiterten wir unsere Kapazität bei den Fahrradstellplätzen. Im darauffolgenden Jahr wurde die Pontonsteganlage weiter ausgebaut, um die Sicherheitszone beim Kanupolo-Spielfeld zu vergrößern. Ein neues Kassenhaus und eine neue Terrasse mit Vordach auf der Vorderseite des Vereinshauses kamen 2018 dazu.

Zur Vorbereitung auf das 100-jährige Jubiläum des Naturbades im Jahr 2022 haben wir noch mal richtig Gas gegeben: umfangreiche Stegsanierung mit Unterkonstruktion 2019, Beach-Soccer-Anlage und neue Badetreppe aus Alu 2020, Sanierung Pontonanlage Bootsverleih und Neubau des Bootsverleih-Bungalows mit zusätzlichem Pavillon und neuer Terrasse 2021. Eine Ausstellung zu 100-Jahren Flussbad konnten unsere Gäste in der kompletten Saison 2022 bestaunen.